Ulrich Tipp wurde 1955 im Allgäu in eine kunstaffine Familie geboren. Sein Onkel Christian Modersohn, Sohn von Otto Modersohn, hat ihn früh in Stil und Motivwahl geprägt. Sein Weg an die Hochschule für Bildende Kunst nach Düsseldorf war dadurch vorgezeichnet und ab 1978 studierte er bei Krieg und Koberling. Seit 1984 ist er freischaffend tätig.
Die Kunstwerke von Ulrich Tipp vereinen in einem ganz eigenen und unglaublich intensiven Schaffensprozess zwei wichtige Komponenten miteinander: Farbe und Licht. Mal abstrakt – mal gegenständlich – mal impressionistisch – mal expressionistisch haben doch alle Motive die Kraft der Farbflächen, aus denen sich die Motive aufbauen, gemein.
Er ist ein Meister im Spiel der Farbklaviatur. Wie ein Komponist, der die Töne gekonnt arrangiert, lässt Tipp die Farbflächen zwischen Pinselpunkten, Farbflecken, Lichtflocken und durchdacht Gesetzen Pinselstrichen je nach Motiv und Stimmung variieren. Er schafft es durch den gezielten Einsatz der Komplementärfarben, – selten vermischt, meist rein und pur in Öl nebeneinander gesetzt – Bewegung in seine Arbeit zu bringen, sodass das Auge des Betrachters immer auf der Suche nach dem farblichen Pendant bzw. Gegensatz das Bild in sich aufnimmt.
Die Bilder verströmen durch den wohldurchdachten Einsatz von Farbe und deren Gegensätze eine Harmonie und Ausgeglichenheit, die im Betrachter ein heiteres und fröhliches Gefühl hervorrufen. Die Kunstwerke spiegeln das Wesen des Künstlers wider. Tritt man einen Schritt zurück entstehen aus den Farbflächen Blumen und Landschatten, die der Künstler nicht nach der Natur, sondern aus seiner Erinnerung heraus malt. Dennoch ist dem Betrachter die dargestellte Landschaft durchaus vertraut. Auch wenn die Motive beliebig und austauschbar erscheinen, sind sie doch auf ihre Weise klar definiert und können in einen größeren Kontext eingeordnet werden.
Bedenkt man den familiären künstlerischen Hintergrund, scheint die Motivwahl von Lipp durchaus verständlich. Geprägt von Landschaften in Öl oder Aquarell, die realistisch die Landschaft in und um Worpswede/Fischerhude bzw. Hindelang im Allgäu darstellten, kreiert er jedoch seine eigenen Magical Landscapes, die in ihrer klaren, abstrakten und farbkräftigen Art einzigartig sind und sich vom künstlerischen Erbe komplett abheben.
Die Landschaften scheinen in 2 Ebenen unterteilt zu sein: Zum einen in den Vordergrund mit seinen starken und satten Farben wie Gelb, Rot, Pink und Grün, sowie zum anderen in den Hintergrund mit kräftigen Blautonen, die den Knallfarben des Vordergrunds die nötige Tiefe und Ruhe geben. Die Blautöne in unterschiedlicher Schattierung verleihen den Bildern eine wohltuende Weite und gebenden blühenden Bäumen in Rot, Pink und Grün sowie den Häusern in Rot, Pink und Gelb den nötigen Raum um sich zu entfalten zu können.
Auf den ersten Blick herrscht eine Zweidimensionalität, die durch das Nebeneinandersetzen der Farbflächen entsteht, vor. Aufgrund ihrer vermeintlich vordergründigen Einfachheit entstehen wie durch Zauberhand intensive Bilder mit Tiefgang. Verstärkt wird dies noch durch den Verzicht des Malers auf Titel für seine Bilder, so dass jeder Betrachter seine eigenen Geschichten in den Bildern sieht, wenn er seiner Fantasie freien Lauf lässt. Die Intensität der Farbe und deren Zusammenspiel, sowie das daraus resultierende Ausstrahlen purer Lebensfreude, ziehen den Betrachter in ihren Bann. Das Fazit aus der Betrachtung der Lippschen Kunstwerke ist, dass sie wie Balsam für unsere Seele, sozusagen der Ruhepol in unserem immer schneller werden Alltag sind.
Als Erweiterung seiner Magical Landscapes hat sich der Künstler mit dem weiten Themenfeld des Horizonts auseinandergesetzt. Die Werkgruppe „Horizons“ beinhaltet zunächst einmal Darstellung des Horizonts im klassischen Sinne, d.h. der Betrachter sieht den Horizont als Trennlinie zwischen Erde und Himmel, da sich im unteren Bildbereich Berge (meist dunkelblau oder grün gehalten) klar vom farbkräftigen Himmel, der den größten Teil des Bildes einnimmt, abgrenzen.
Der Himmel besteht aus mehrfarbigen ineinandergreifenden Farbflächen, die Wolkengebilde oder Nebel- bzw. Dunstschwaden darstellen sollen. Der Himmel setzt sich nicht nur farblich deutlich von der Landschaft ab, sondern unterscheidet sich auch durch scheinbare Bewegung der Wolkengebilde, wohingegen die Berge wie der Fels in der Brandung als Gegengewicht zum bewegten Himmel fungieren. Der Betrachter blickt in eine unendliche Weite.
Die Arbeiten, in denen Lipp bewusst auf das Fundament der Landschaft verzichtet, zeigen eine Tiefe, die den Betrachter magisch in das Bild hineinzieht. Der Horizont ist nicht mehr zu erkennen und zu greifen. Dadurch erzeugen die Bilder Neugier und Aufmerksamkeit bei dem Betrachter. Er ist gespannt was sich hinter dem Horizont, den er in diesen Bildern nicht erkennen kann, verbirgt. Lipp zielt auf die subjektive Wahrnehmung und Empfindung des Betrachters ab und schürt dessen Sehnsüchte und gedankliche Utopien. Er gibt dem Betrachter die Möglichkeit, sich mit Neuem und Unbekanntem auseinanderzusetzen und vertraut zu machen.
Ute Löw
Kunsthistorikerin